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12.03.2010, Remscheid

Andreas Flüs hat den Kampf gegen Adipositas für sich gewonnen

500 Prozent mehr Lebensqualität

Andreas Flüs mit seinem Kampfgewicht von 174 Kilogramm. Nach der OP nahm der KJP-Krankenpfleger über 80 Kilogramm ab.

KJP-Krankenpfleger Andreas Flüs hatte selbst jahrelang mit Übergewicht zu kämpfen. Heute steht der 46-Jährige wieder mitten im Leben, treibt viel Sport, ist als Jugendleiter tätig und möchte mit seiner Selbsthilfegruppe Adipositas-Remscheid Betroffene auf dem Weg zum Idealgewicht begleiten und ihnen helfen.

„So habe ich mal ausgesehen, da hatte ich gerade mein Kampfgewicht“, sagt Andreas Flüs und legt ein Foto auf den Tisch. Darauf zu sehen ist ein schwergewichtiger Mann Mitte 40 mit Zigarette in der Hand. „Alle aus meiner Familie, wie zum Beispiel meine Mutter und meine drei Schwestern, sind übergewichtig“, erzählt Flüs. Er selbst sei schon als Kind „nicht wirklich schlank“ gewesen, konnte aber durch Leistungssport sein Gewicht mit rund 90 Kilo „im Griff“ halten. Bis zu seinem Motorradunfall im Jahr 1988, bei dem Meniskus und Kreuzbänder abrissen. „Danach habe ich mit dem Sport aufgehört und dann ging es los.“ Als er sich 1995 entschloss, als bisheriger Installateur und Heizungsbauer auf seinen Traumberuf Krankenpfleger umzuschulen und mit der dreijährigen Ausbildung bei den Kliniken St. Antonius in Wuppertal begann, wog er bereits 110 Kilo bei einer Körpergröße von 1,75 Metern und nahm stetig zu.

Auf dem Weg zum Wunschgewicht

Im Jahr 1999 startete er mit einem Gewicht von 125 Kilogramm den ersten Versuch abzunehmen. „Ich habe am Optifast Programm teilgenommen und innerhalb von zwölf Monaten rund 36 Kilo verloren“, so Flüs. Diese hatte er jedoch bereits ein halbes Jahr später wieder drauf. „Die Nachhaltigkeit fehlte. 2004, damals war Flüs bereits als Krankenpfleger in der KJP tätig, musste er sich schließlich einer weiteren Knie-OP unterziehen. Bei der anschließenden Krankengymnastik wurde bei ihm Rheuma festgestellt, er erhielt Schmerzmedikamente. „Durch die Morphine habe ich nochmals zugelegt.“ In dieser Zeit sei es ihm physisch immer schlechter gegangen, so der Remscheider. „Sie können sich gar nicht vorstellen, wie viel Mühe es mir bereitet hat, aufzustehen und acht Stunden lang meiner Arbeit nachzugehen. Nach der Schicht war ich total erschöpft und froh, aufs Sofa zu kommen!“ 2006 folgte der nächste Schritt zum Wunschgewicht: Per Internet erfuhr er von der Adipositas-Selbsthilfegruppe Solingen und nahm erstmals an den Treffen teil. Dort informierte er sich über chirurgische Methoden im Kampf gegen Adipositas, wie Magenbypass oder Magenband. „Gerade der Magenbypass schien mir die ideale Lösung zu sein, da ich kein Sättigungsgefühl mehr hatte und hoffte, damit die Nachhaltigkeit zu erreichen, die mir nach dem Optifast Programm fehlte.“

Doch der Weg zur OP ist für die Betroffenen mit Hürden verbunden. Erst wenn vorab die so genannte multimodale Therapie zu keinem nachhaltigen Erfolg führt, wird der chirurgische Eingriff von den Krankenversicherungen als so genannte letzte Chance (Ultima Ratio) genehmigt und finanziert. Das Therapiekonzept umfasst die Ernährungsberatung, regelmäßige Bewegung und eine psychologische Untersuchung – mit entsprechenden Nachweisen.

Leben oder sterben

Ein Schlüsselerlebnis brachte Andreas Flüs schließlich dazu, die OP zu beantragen „Im Januar 2007 bin ich aufgrund meines Übergewichts mit dem Roller gestürzt und habe mich an der Schulter verletzt. Mein damaliges Kampfgewicht von 174 Kilogramm ließ jedoch eine CT-Untersuchung nicht zu.“ Um der Verletzung trotzdem auf den Grund zu gehen, musste er operiert werden. „Dabei stellte sich heraus, dass ich nur ein Hämatom hatte. Eine OP wäre also überhaupt nicht notwendig gewesen!“ Andreas Flüs blickt nachdenklich aus dem Fenster. „Wissen Sie“, sagt er leise, „ damals stand ich vor der Entscheidung: Leben oder Sterben!“

Noch im Januar stellte er den Antrag auf einen Magenbypass. Doch der Eingriff sollte erst Monate später folgen. „Mein Antrag wurde zunächst abgelehnt.“ Begründung: Er hätte noch nicht alle konservativen Möglichkeiten ausgeschöpft. Doch Andreas Flüs kämpfte per Gericht um seine „letzte Chance“ und bekam schließlich recht. Im November 2007 folgte die OP – mit nachhaltigem Erfolg: „Innerhalb eines Jahres nahm ich 84 Kilo ab und kann jetzt endlich Maß halten.“ Denn, so Flüs, man lerne schnell, dass nach einem halben Brötchen Schluss sei.

Heute treibt er wieder viermal pro Woche Sport und ist seit Mitte vergangenen Jahres Jugendleiter beim FC Remscheid. Das, betont Krankenpfleger Flüs, wäre vorher überhaupt nicht möglich gewesen. „Ich habe 500 Prozent mehr Lebensqualität!“ Mit seiner Frau und seinen drei Söhnen kann er heute offen über seine schwergewichtige Zeit sprechen. „Erst jetzt merke ich, wie viel meine Frau in dieser Zeit für mich übernommen und wie oft meine Familie für mich alltägliche Dinge erledigt hat. Ich konnte das in dieser Zeit einfach nicht.“ Dabei hätten sich gerade seine Kinder gewünscht „dass der Papa mehr mit ihnen macht“.

Niemals aufgeben!

Auf die Frage, wie er sich heute, nach erfolgreicher Gewichtsreduktion, fühlt, antwortet er prompt: „Immer noch dick, das geht nicht so einfach aus dem Kopf raus!“ Und: „Dicke Menschen gehen mit einem Pseudo-Selbstbewusstsein durchs Leben. Sobald sie abgenommen haben, ist das Fell nicht mehr so dick, da sie sich nicht mehr jeden Tag durchs Leben kämpfen müssen.“ Auch er sei nach der Gewichtsreduktion sensibler, empfindlicher geworden. „Das hat sich aber inzwischen gelegt, was ich meinem Umfeld zu verdanken habe.“ Damit meint er neben seiner Frau, seinen Kindern und Freunden vor allem die Kollegen auf der KJP-Station. „Sie haben immer zu mir gestanden und oft Angst um mich gehabt“, erzählt er. „Jetzt sehen sie wieder einen agilen Mann vor sich, der nicht mehr zu bremsen ist, und freuen sich darüber“, meint er lächelnd.

Was gibt er übergewichtigen Menschen mit auf den Weg? „Niemals aufgeben und immer wieder versuchen, gute Angebote aufzugreifen und zu verfolgen!“ Mit der Gründung der Selbsthilfegruppe möchten er und sein Partner Oliver Zabelt jetzt ihren Teil dazu beitragen. „Denn“, so Andreas Flüs mit leuchtenden Augen, „es ist ein unbeschreibliches Gefühl, irgendwann in ein Geschäft zu gehen und sagen zu können: L ist meine Größe!“